„Hey Connor! Sieh mal was ich gefangen habe!“ Abby stürmte in ihren Unterschlumpf hielt mit stolz geschwellter Brust den dicken urzeitlichen Fisch in die Höhe. Endlich etwas Abwechslung in der Küche würde ihnen gut tun. Sie war überrascht festzustellen, dass Connor Temple sich in seine silbrig schimmernde Decke gewickelt hatte und schlief.

Schlaftrunken reckte er den Kopf hoch. „Was...?“

„Ich dachte du wolltest Holz sammeln. Sieh dir nur diesen Prachtburschen an. Der wird uns gut tun.“ Sie sah skeptisch zu wie sich ihr Freund aufsetzte. „Alles klar bei dir?“

Sie waren jetzt seit fast einem Jahr hier gefangen und das Leben, nein das Überleben verlangte ihnen viel ab. Sie ernährten sich in erster Linie von Wurzeln und Kräutern. Manchmal gelang es ihnen auch wie heute einen Fisch zu fangen, aber meist blieb die Küche kalt. Zu wenig um zu leben, zuviel um zu sterben. Sie wollte schon lange weiterziehen und näher am Fluß ein Lager suchen, doch Connor glaubte noch immer diese Zeit wieder verlassen zu können.

Er hatte Windspiele aus Metall aufgehängt und fuhr manchmal bei jeder Windbewegung auf, weil er dachte eine Anomalie hätte sich in der Nähe etabliert. Doch es kam keine und es würde auch keine mehr kommen. Es würde sie nur mehr und mehr fertig machen und hinderte sie daran weiter zu ziehen.

Doch Connor war stur. Er war noch immer voller Hoffnung und nicht bereit diese zu begraben. Es wurde immer kälter und sie sollten sich besser ein besseres Obdach als dieses Wurzelgeflecht suchen. Es bot zwar vor den großen Raubsauriern Schutz, aber kaum vor der Kälte der Nacht.

Connor blieb in der Rettungsdecke gehüllt sitzen und sah sie müde an. „Alles klar. Ich fühle mich nur nicht so gut. Toller Fisch!“

„Ja klar.“ Sie setzte sich zu ihm und rieb sich die kalten Finger. „Wir sollten weiter runter ins  Tal, da wäre es wärmer.“

Connor antwortete nicht. In den letzten Wochen war dieses Thema immer mehr aufgekommen und jetzt gab es kein Gespräch, dass nicht irgendwann dabei endete. Abby legte den Fisch ab und zog ihr Messer heraus um ihn zu präparieren. Erst jetzt sah sie, wie blaß ihr Freund war.

„Connor?“

„Ja?“

„Was ist los?“ Sie legte das Messer zur Seite und rückte näher an ihn heran.

„Nichts... ich bin heute nur nicht wirklich fit. Ich glaube ich kann nichts essen.“ Jetzt machte sich Abby wirklich sorgen? Connor hatte keinen Hunger? Sie hatten so selten etwas vernünftiges und dann lehnte er es ab. Sie hielt ihr Hand an seine Stirn. „Hast du Fieber?“

„Ich weiß nicht, aber Magenkrämpfe von den ganzen Wurzeln.“ Es war so typische für Connor sie in dieser Situation anzugrinsen und von ihm abzulenken. Manchmal konnte er so wehleidig sein und dann... „Ich leg mich noch ein bisschen hin.“ Damit wandte er sich ab und lies sich wieder auf ihr Moosbett fallen.

Abby kaute auf den Lippen. Sie hatte selbst zu kämpfen, sie konnte nicht für sie beide kämpfen. Sie sah auf den Fisch und beschloss ihn wieder in die Tasche zu legen. Sie konnte ihn auch noch später ausnehmen. Dann nahm die ihre Decke und legte sich hinter Connor und rückte nah an ihn heran. So wärmten sie sich jede Nacht, denn in der Nacht fielen die Temperaturen immer stark ab. Sie legte ihren Arm um ihn und spürte, wie er in ihren Armen entspannte und sich an sie schmiegte. Sie liebte diesen Kerl und sie würde alles für ihn tun. Müde schloss sie die Augen und lies sich in den Schlaf gleiten.

***

Connor erwachte frierend und leider waren seine Magenkrämpfe noch immer da. Da half ihm auch nicht der Duft von frisch gegrilltem Fisch, ganz im Gegenteil. Abby saß auf dem Baumstumpf und zupfte ein Stück des Fisches ab, den sie gekonnt auf einen Stock gespießt hatte. Sie steckte es sich in den Mund und schloss genüsslich die Augen. Essen... danach stand ihm nicht der Sinn und dass wo sie sich die ganze Woche wieder von Wurzeln ernährt hatten. Er war wohl wirklich krank.

„Connor!?“ Abby schob sich zu ihm herüber. „Fühlst du dich besser?“

Abby machte sich offensichtlich Sorgen. Das wollte er nicht. Abby war immer stark und er wusste nicht ob er das vergangene Jahr ohne sie überstanden hätte. Zuhause hätte er sich ins Bett gelegt und irgendjemanden solange genervt, bis der oder die ihm ein Süppchen ans Bett gebracht hätte und ihm Händchen gehalten hätte. Er war noch nie stark gewesen, wenn er Schmerzen hatte. Aber hier... Er sah zu Abby und beschloss sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Eigentlich blödsinnig. Abby machte man so schnell nichts vor. „Connor...?“

„Geht schon etwas besser... hab wohl die letzt Wurzel nicht wirklich vertragen. Ein toller Fisch!“

Abby setzte ein begeistertes Lächeln auf. „Nicht wahr? Ich hab ihn gleich in der ersten Stunde erwischt und das ist bestimmt der  größte den wir je gefangen haben.“

„Er ist toll!“ Connor hätte sich am liebsten zusammengekrümmt, als sein Magen wieder krampfte, hielt sein Lächeln aber aufrecht. Was wohl misslang...  „Connor? Geht es dir wirklich besser?“ Sie beäugte ihn misstrauisch.

„Es geht schon.“ Er nahm sich zusammen. „Krieg ich auch ein Stück?“

„Ja... ja klar!“ Abby lächelte ihn an, zupfte ihm ein Stück ab und hielt es ihm entgegen. Er setzte sich auf und hielt ihr die Hand entgegen. Der Fisch war heiß und roch eigentlich sehr gut. Er atmete tief durch und stopfte sich das Stück in den Mund. Tapfer kaute er und schluckte. „Lecker!“

Er sah Abby an, dass sie ihm das nicht abnahm. Er war ein lausiger Lügner. Vermutlich war der Fisch wirklich lecker, aber Connor konnte und wollte das nicht schmecken und das sah ihm Abby an. Sie öffnete den Mund, doch bevor ein Ton ihre Lippen verlies ertönte vor ihrem Versteck ein lautes Gebrüll und das Wurzelwerk über ihnen erzitterte in ihren Grundfesten.

Abby reagierte sofort und packte ihre Sachen mit wenigen Handgriffen zusammen und zog sich weiter zurück ins Dickicht. „Connor! Schnell!“ Sie zog ihn hoch und zerrte ihn nach hinten.“ Es war nicht die erste Attacke dieser Art, immer wieder wurden große und kleine Saurier angelockt. Vermutlich fand noch jemand den Fisch sehr schmackhaft und wollte ein Stück ab haben. Die kleinen waren bisher die gefährlichsten, da sie es meist schafften in ihr Versteck einzudringen. Ihre beste Waffe war dann eine Fackel mit Feuer. Daher hielten sie das Feuer fast immer in Gang. Doch dieses Vieh war eindeutig eines der größten seiner Art und scheinbar sehr unzufrieden.

Mühsam drückte Connor sich hoch und folgte Abby in den hinteren Teil ihres Versteckes. Das Wurzelwerk dieses Mammutbaumes hatte sie die letzten zwölf Monate vor etlichen Attacken beschützt und er hoffte ihr Wurzeldach würde auch dieses Mal halten. Das Problem war meist nur, dass die Tiere in der Regel recht ausdauernd waren. Ein Megalosaurus hatte sie einmal 6 Tage in ihrem Versteck festgesetzt und der Hunger und Durst war nur schwer zu ertragen gewesen. Seitdem hatten sie sich immer einen kleinen Notvorrat zurechtgelegt.

Sie hatten lernen müssen in dieser unwirtlichen Umgebung. Sie waren Spezialisten für die Kreidezeit, aber das half ihnen nur wenig im Überlebenskampf. Wieder erschütterte eine Attacke ihr Versteck und einige Äste kamen herunter. Sie drückten sich weit in die Wurzeln und versuchten so leise wie möglich zu sein. „Megalosaurus?“

„Könnte sein. Essen wir den Fisch besser auf, wenn er ihn nicht mehr riecht, verliert er vielleicht das Interesse.“ Connor atmete tief durch und nahm das Stück Fisch entgegen. Sein Magen fühlte sich an wie ein Stahlknoten, den jemand auseinanderreißen wollte. Ja. Das war ein guter Vergleich. Abby berührte seine Hand und sah ihn vorwurfsvoll an. Sie legte ihm eine Hand an die Stirn. „Du hast Fieber.“

 

„Nicht so wild.“ Connor fühlte sich ertappt. Der Megalosaurus stürmte erneut gegen das Geflecht aus Wurzeln. „Ich glaub wir haben ein größeres Problem als das bisschen Übelkeit und Fieber.“

 

***

 

Der Megalosaurus war noch immer da und attackierte die in unregelmäßigen Abständen. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und sie hockten am wärmenden Feuer und versuchten ihren Angreifer zu ignorieren. Connor konnte inzwischen nicht mehr verbergen, dass es ihm schlecht ging. Er zitterte und ihm war schlecht. Von dem Fisch war nicht viel übriggeblieben, nachdem er sich hatte übergeben müssen. Er hatte seinen Kopf in Abbys Schoß gelegt und versuchte die Schmerzen zu ignorieren.

 

„Connor?“

 

„Ja?“

 

„Wo sitzen die Magenschmerzen?“

 

„Was?“

 

„Ich meine, dass ich dich gerne untersuchen würde.“

 

Connor gab jegliche Verteidigung auf, dafür fühlte er sich viel zu mies. „Was soll ich tun?“

 

„Leg dich einfach auf den Rücken und lass den Rest mich machen.“ Sie rutschte an seine Seite und zog sein Hemd und T-Shirt hoch. Abby kannte sich zwar besser mit Tieren aus, aber ihre medizinischen Kenntnisse waren schon oft hilfreich gewesen. „Wo sitzen die Schmerzen?“

 

Connor griff sich an die Seite. „Hier.“

 

Abby begann vorsichtig den Bauch abzutasten und plötzlich durchschoss ihn ein unerträglicher Schmerz. „Arghhh...!“

 

„Tschuldige!“ Abby zog das T-Shirt wieder herunter. Eigentlich ahnte er die Antwort und wollte sie gar nicht hören und doch sagte er: „Und Doktor Doolittle, wie ist die niederschmetternde Diagnose?“

 

„Niederschmetternd!“ Abby biß sich auf die Lippen. „Ich befürchte es ist der Blinddarm.“

 

Sie schwiegen beide einen Moment. In Connors Kopf raste es. Blinddarm. Das war doch nichts Schlimmes... im 20. Jahrhundert. Aber hier? „Vielleicht beruhigt sich das wieder?“

 

„Ich weiß nicht Connor, du hast Fieber, das ist kein gutes Zeichen.“ Sie verschränkte ihre Arme um die angewinkelten Beine. Nicht genug, dass sie hier festsaßen, die wurden von Tieren angegriffen, hungerten oft und froren nachts erbärmlich. Das reichte doch wirklich!!!  Gegen alles konnten sie kämpfen. Als sie hier gestrandet waren hatte Connor lange gebraucht, bis sein Knöchel wieder voll belastet werden konnte. Vor 3 Monaten hatte sich bei Abby eine kleine Schnittwunde böse entzündet und sie hatten einen Grossteil der ihnen zur Verfügung stehenden Antibiotika aufgebraucht. Damals war es ihr echt schlecht gegangen.

 

„Morgen geht es mir bestimmt besser.“ Er zog sein Hemd herunter. Er war müde. „Laß uns versuchen zu schlafen, Abby.“

 

Abby rutschte herum und betete seinen Kopf wieder in ihrem Schoß. „Ach Connor... das schaffen wir auch noch. Ich bin ganz sicher.“ Ihre Stimme strafte sie Lügen, aber er beschloß das zu ignorieren und schloß die Augen. Ihm war kalt und sein Bauch schmerzte. Er wollte nur noch die Augen schließen und alles ausblenden. Er war gar nicht hier und morgen würde er in seinem Bett im Loft in London aufwachen weil Rex ihm durch das Gesicht schleckte. Er musste nur ganz fest daran glauben. Abby strich ihm durch die Haare und er glitt in einen unruhigen Schlaf.

 

Er sah Abbys Tränen und Verzweiflung nicht. Sie strich durch Connors Haare und wiegte ihn. Angst machte sich in ihr breit. Eine Blinddarmentzündung in dieser Umgebung konnte ein Todesurteil sein. Sie schüttelte den Kopf. Nein! Nein, das würde sie nicht zulassen. Sie liebte Connor! Sie brauchte Connor. Nur er hielt sie aufrecht. Ohne ihn hier zu bleiben... Die Einsamkeit... Abby schluchzte und war froh, dass Connor sie nicht so sah. Er kannte ihre verletzliche Seite, aber sie zeigte sie nicht gern.

 

Abby holte tief Luft. So schnell würde sie nicht aufgeben. Sie hatten noch einen Rest an Antibiotika aus ihrem Überlebenspack. Doch wenn die nicht halfen musste das Ding raus und sie wollte gar nicht daran denken. In dieser Umgebung und gemacht hatte sie so was auch noch nicht auch wenn sie in der Theorie wusste wie es funktionierte.

Abby lauschte. Ob der Megalosaurus noch da war? Connor würde Wasser brauchen und sie brauchte neues Feuerholz. Sie strich erneut über seinen Kopf. Sie würde das nicht zulassen.

 

Er stöhnte in ihren Armen auf. Sie würde ihn schützen. Das hatte sie immer getan.

 

***    

 

Als der Morgen hereinbrach stand Abbys Entschluß fest. Sie würde es wagen, denn Connor hatte inzwischen hohes Fieber und wand sich in ihren Armen vor Schmerzen. Sie beugte sich vor und warf einen neuen Holzscheit in die Glut. Den Megalosaurus hatte sie schon seit Stunden nicht mehr gehört. „Hi!“

 

Sie sah zu ihm herunter. „Hi Connor!“ Sie küsste ihn auf die Stirn. „Gut geschlafen?“

 

„Ich weiß nicht... du schaust so ernst!“ Er kannte sie zu gut. „Hat Dr. Doolittle eine neue Behandlungsmethode?“ Er wusste es. Er wusste was zu tun war, schoß es Abby durch den Kopf. Natürlich wusste er es, er war ein Genie. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Haben wir noch etwas zu trinken?“

 

„Ja, klar, du solltest viel trinken.“ Sie hielt ihm die Wasserflasche entgegen und er trank gierig. „Danke!“

 

„Connor...“ Sie versuchte die passenden Worte zu finden. „Wir... ich... das Ding muss raus!“

 

„Ich weiß!“ Er sah ihr ernst in die Augen. „Aber hier?“

 

„Es wird nicht anders gehen.“ Er schloss kurz die Augen, als eine neue Schmerzwelle seinen Körper durchfuhr. „Connor, ich will dich nicht verlieren und wenn wir zu lange warten würde dir nicht mal die Medizin des 21. Jahrhunderts helfen.“

 

„In Ordnung. Aber hast du so etwas schon mal gemacht?“

 

„Kennst du Tiere die einen Blinddarm haben?“

 

„Guter Punkt. Willst du mich beruhigen oder nicht?“ Er griff nach ihrer Hand. „Abby, ich vertraue dir!“

 

„Schön, dann muss ich mir nur auch noch vertrauen und alles ist geritzt. Connor, wir haben kein Sedativum und ich weiß nur in der Theorie wie das geht.“ Abby sah die Angst in seinen Augen. „Ich hab nachgesehen. Wenn wir die letzten Antibiotika sparsam einsetzen könnte es klappen. Im Medopack sind noch ein paar sterile Packs zum verbinden und ein Skalpell.“ Sie hielt einen kleinen Stock hoch. „Du wirst aber die Zähne zusammen beißen müssen. Du darfst dich nicht bewegen.“

 

Connors Blick verlor sich in der Ferne. Er schien weit weg, doch dann wandte er den Kopf und sah sie eindringlich an. „Wir schaffen das zusammen Abby. Wir schaffen dies hier und wir finden einen Weg zurück in unsere Zeit. Ich glaube ganz fest daran!“

 

Abby spürte, wie ihr Tränen über das Gesicht liefen. „Ich wünschte ich hätte soviel Glauben wie du Connor. Ich...“

 

„Ich hab genug Optimismus für uns zwei. Das reicht! Du bist doch Dr. Doolittle! Doolittle schafft das!“ Abby musste Grinsen und Connor hob die Hand und wischte ihr mit dem Daumen eine Träne von der Wange. Sie beugte sich vor und küsste ihn innig auf den Mund und für einen Moment verloren sie beide sich in diesem Kuss. 

 

***

Es war so weit. Abby hatte das Feuer angeheizt und Connor hatte sich daneben gelegt. Was würde sie für ein bisschen mehr Licht geben, aber es musste halt so gehen. Draußen streifte noch immer der Megalosaurus um ihr Lager. Neben ihr lag das Skalpell und ihr eigenes Messer, dass sie in den Flammen desinfiziert hatte. Ein Wundnähset und ein paar Kompressen komplettierten das ganze. Kein steriler OP, aber das Beste was die Kreidezeit bot. Abby ging im Kopf noch einmal jeden Schritt durch um nachher zügig vorgehen zu können. Sie wollte Connor möglichst wenig Schmerzen zufügen.

 

„Könnten wir bitte anfangen?“

 

Sie sah zu Connor hinunter. Er lag mit dem Kopf an einer Wurzel und hatte die Arme darunter geklemmt. Sie selbst würde sich auf seine Beine setzen um mögliche Bewegungen zu verhindern. Sie schob sein Hemd hoch. „Ja, wir können anfangen. Ich taste noch einmal deinen Bauch ab.“ Sie strich mit ihren Fingern die Rippen entlang und suchte die richtige Stelle. Die Bauchdecke war hart und unnachgiebig. Sie öffnete einen Tupfer und merkte frustriert, dass das Alkoholpad fast eingetrocknet war. Sie wischte über die Stelle am Bauch und rieb sich dann die Finger ab.

 

„Bist du bereit?“ Connor nahm den Zweig zwischen die Zähne und klammerte sich an die Wurzel. „Ich weiß, es wird weh tun aber bitte versuche die nicht zu bewegen.“

 

„Fang an!“

 

Abby griff zum Skalpell. „Ok!“ Sie setzte an und schnitt. Connors Körper bäumte sich leicht auf und sie drückte ihn mit den Hüften herunter. Sie sah zu ihm hinauf und sein schmerzverzerrtes Gesicht versetzte ihr einen Stich. Sie durfte nicht zögern, sich nicht ablenken lassen. Sie musste schnell und konzentriert arbeiten. Sie tupfte das Blut zur Seite und schnitt tiefer bis sie durch war. Connor stöhnte, doch sie versuchte es auszublenden und weiter zu arbeiten. Sie tupfte wieder. Das war viel Blut, zu viel. Sie hatte ein Gefäß verletzt. Abby griff zum Nähset und band es ab. Jetzt konnte sie besser sehen.

 

Sie sah zu Connor, dessen Augen fest geschlossen waren. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sie sah wieder in den Wundschnitt und sah den Blinddarm. Er war wie vermutet entzündet und hob sich stark vom umliegenden Gewebe ab. Sie nahm die Schnur und band ihn sorgfältig ab. Dann nahm sie das Skalpell, doch Connor krümmte sich erneut vor Schmerz.

 

„Connor! Wir haben es gleich geschafft, aber du darfst dich nicht bewegen. Bitte Connor! Halt noch etwas durch.“ Sie sah zu ihm auf und ihre Blicke trafen sich. Er war so blass! Doch er nickte ihr zu und schloss die Augen in Erwartung der kommenden Schmerzen. Abby setzte das Skalpell an und schnitt das entzündliche Gewebe ab. Jetzt musste es ihr nur noch gelingen alles wieder gut zu vernähen und die Wunde zu verschließen. Sie hatte sich einen Faden zurecht gelegt, aber in dem schlechten Licht war das nicht leicht. Sie musste sich beeilen.

 

„Ich hab´s gleich Connor. Nur noch ein paar Nähte.“ Connor stöhnte auf und dann erschlaffte sein Körper unter ihr. Er hatte das Bewusstsein verloren. Angst erfüllte sie und zugleich Erleichterung, weil er die Schmerzen jetzt nicht mehr spürte. Sie arbeitete ruhig weiter und verschloss die Wunde mit den letzten Stichen. Jetzt noch einmal mit Alkohol abtupfen und dann mit dem letzten sterilen Wundtuch verbinden und ihm eine der letzten zwei verbliebenen Ampullen Antibiotika spritzen. Sie brauchte 10 Minuten dafür und schob alles an die Seite und zog sein Hemd wieder herunter. Erschöpft lies sie sich neben Connor sinken, zog die Decke über sie beide und nahm ihn in den Arm.

 

Er fühlte sich durch das Fieber heiß an und Abby schloss die Augen. Jetzt hatte sie alles getan, nun lag es an Connor gegen die Infektion anzukämpfen. Sie konnte ihm ihre Wärme geben und sie wollte ihn nicht los lassen. Sie hielt ihn fest in ihren Armen und lies ihren Tränen freien Lauf, jetzt wo die Anspannung von ihr abfiel.

 

Draußen ging langsam die Sonne unter und die Kälte kam, doch das Feuer wärmte sie.

 

***

 

Die ersten Sonnenstrahlen zogen über die Baumwipfel als Abby wieder erwachte. Connor lag in ihren Armen. Sie lauschte und spürte wie es ihrem Freund ging. War das Fieber gesunken? Sie lies ihre Hand zu seiner Stirn hoch wandern und fühlte die heiße Haut. Sie drückte sich hoch. Connor war noch immer blass und zitterte. Es ging ihm nicht gut. Abby zog sein Hemd zurück und war erleichtert, dass wenigstens der Verband trocken war. Die Wunde hat sich wohl nicht entzündet.

 

Abby setzte sich ganz auf und deckte Connor wieder zu. Sie legte Holz in die Glut und fachte das Feuer wieder an. Es war lausig kalt und sie rieb sich über die Oberarme. Sie hätten längst tiefer ins Tal ziehen müssen. Sie schmiss einen weiteren Scheit in das aufkeimende Feuer und goss sich etwas Wasser ein. Sie stellte den Becher an das Feuer und versenkte eine Gindengwurzel darin. Das hatte sich im vergangenen Jahr als sehr wohltuend erwiesen.

 

Zehn Minuten später setzte sie sich zu Connor und versuchte ihn vorsichtig zu wecken. „Connor... kannst du mich hören? Komm schon, du musst was trinken. Connor!“ Doch er reagierte nicht. “Bitte…” Sie biß sich auf die Lippen. Vielleicht hatte sie zuviel erwartet. Sie strich im eine Strähne aus dem Gesicht, sie wollte ihn nicht verlieren. Connor bedeutete ihr alles, auch wen sie lange gebraucht hatte, dass zu verstehen.

 

Erneut schossen ihr Tränen ins Gesicht und sie umschlang ihr Beine mit den Armen und gab sich ihrer Verzweiflung hin. Sie waren beide am Ende ihrer Kräfte. Dieses Land, nein vielmehr diese Zeit und die Einsamkeit verlangte ihnen soviel ab. Sie hatten nur sich zwei und sie würde nicht ertragen Connor jetzt zu verlieren.

 

Sie wussten weder was mit Danny Quinn passiert war, noch ob man noch nach ihnen suchte. Connor war sich dessen sicher und nicht davon abzubringen. Sie wünschte sich nur halb soviel Zuversicht zu haben.

 

„Ab...Abby...“ Sie fuhr herum und sah, dass er die Augen offen hatte, auch wenn seine Lider stark flatterten. Abby lächelte ihn an. „Hallo Süßer!“

 

„Hi...!“ Sie strich ihm durch das schweißnasse Haar. „Wie fühlst du dich?“ Connor schien etwas sagen zu wollen, war aber zu schwach dafür. Abbys Herz zog sich zusammen. Bitte! „Shhht, du brauchst nichts zu sagen. Alles ist gut Connor.“

 

Abby setze sich neben ihn. „Alles wird gut Connor, aber du musst etwas trinken. Ich helfe dir.“ Sie hob vorsichtig seinen Kopf und hielt ihm den Becher an die Lippen. Er trank Schluck für Schluck, schloß aber bereits nach wenigen Momenten erschöpft die Augen. „Ist gut Connor. Ruh dich aus, hörst du?“ Sie strich ihm über den Kopf und versuchte ihre Sorge zu verbergen. „Schlaf einfach.“ Sie drückte seinen Kopf an sich und sah verzweifelt herum. All ihre Ängste waren wieder da. Es zerriss sie innerlich ihn so schwach zu sehen. Sie vermisste sein Lächeln, seine Kommentare und seine frechen Sprüche.

 

Sie schmiegte sich an ihren Freund und hielt ihn fest. Mehr konnte sie nicht tun. Vielleicht konnte er spüren, dass er nicht allein war und sie selbst brauchte diese Nähe. Er war da, er war noch da...

 

***

 

Abby hatte Stunde um Stunde neben ihm gewacht und Connor war seit zwei Tagen nicht einmal wieder zu sich gekommen. Sie wusste nicht mehr weiter, aber sie konnte nicht wirklich etwas tun, außer ihn warm zu halten und ab und an etwas Wasser einzuflössen. Doch langsam ging ihr das Wasser aus und auch die Holzvorräte schwanden. Sie würde neue Vorräte beschaffen müssen, doch sie wollte Connor nur ungern alleine lassen. Von dem Dinosaurier hatte sie seit Stunden nichts gehört, aber er konnte sich noch immer da draußen herumtreiben.

 

Sie nahm ihren Rucksack und ihre Wasserflasche und sah noch mal zu Connor. Er lag ruhig auf seinem Lager und schlief. Er zitterte seit gestern nicht mehr und lag nur still da. Sie wusste, dass er sie nicht hörte. „Connor, ich bin nur kurz zum Fluss. Ich bin gleich wieder da!“ Sie strich ihm sanft über die Wange. „Ich liebe dich!“

 

Sie schalt sich, weil es sich wie ein Abschied für immer anhörte. Sie stand auf und ging hinaus. Connor blieb auf seinem Lager zurück. Die Sonne stand hoch, doch er nahm es nicht wahr und schlief. Stunde um Stunde verging und die Sonne wanderte weiter und weiter und irgendwann fand sie eine Lücke und brach durch das Wurzeldach. Sie schien Connor in das wächserne Gesicht und seine Lider begannen zu flattern.

 

Es dauerte noch etliche Minuten bis er die Augen aufschlug und in das Blätterdach starrte. „Abby?“ Er erschrak sich vor seiner eigenen Stimme. Nichts. Keine Abby. Er versuchte es erneut. „Abby?“

 

Er war allein. Eine Erkenntnis die ihm aus zweierlei Gründen nicht gefiel. Zum einen fühlte er sich nicht so, als könnte man ihn alleine lassen. Ihm war schlecht, kalt und er fühlte sich wie von einem LKW übertragen. Obwohl er nicht wirklich wusste wie sich das anfühlte. Er korrigierte sich, er fühlte sich wie von einen Dinosaurier über den Haufen gerannt. Ja! Das traf es besser! Zum anderen sorgte er sich um Abby. Wo war sie? Sie würde ihn doch nicht einfach hier allein lassen.

 

Er versuchte sich hoch zu drücken, unterließ den Versuch aber gleich wieder. Ein stechender Schmerz durchzog seine Seite und er beschloss sich lieber nicht Abbys Zorn zu ziehen in dem er ihre Doolittle-Nähte ruinierte. Er beschloss einfach liegen zu bleiben und zu warten. Abby würde kommen. Sie kam immer. Auf Abby war immer Verlass. Ohne Abby ging es nicht. Er lauschte in den Wald hinein. War der Megalosaurus  noch da? Abby würde doch nicht da raus, wenn der Kerl noch da war. Doch er konnte nichts ungewöhnliches hören. Gut! Sie würde bald wieder kommen und ihm einen wunderschönen gebratenen Fisch servieren.

 

Ein Knacken. Abby, sie kam zurück. Er wandte den Kopf zum Eingang. Doch dort war nichts. „Abby?“

 

Die Antwort war nicht die, die er sich erhofft hatte und zuckte zusammen, als direkt vor ihrem Versteck  das Gebrüll eines viel zu großen Dinosauriers erklang. Connor fuhr zusammen. Der Megalosaurus und er schien nicht gut drauf. Connor stützte sich nun trotz der Schmerzen auf. Erneutes Gebrüll lies ihn zusammenfahren. Das war näher und die Erde bebte. Etwas traf das Wurzelwerk ihres Verstecks. Er musste Abby haben und jetzt hatte er Blut geleckt und wollte auch ihn! Connor versuchte sich nach hinten weg zu schieben. Ganz nach hinten in das Wurzelwerk. Er ignorierte alle Schmerzen und keuchte bei der Anstrengung. Er war hilflos und allein. Allein und verloren in der Zeit!

 

Connor schloss die Augen und drückte sich an eine große Wurzel. „Abby...“  Tränen schossen in sein Gesicht und hilflos musste er mit ansehen, wie der Megalosaurus sein Zerstörungswerk fortsetzte und immer mehr Blätter und Zweige herunterkamen. Er würde auch ihn holen und er würde jegliche Spur von ihnen beiden aus der Zeit tilgen. Connor dachte an Abby und ihr Gesicht war das letzte was er sah, bevor es dunkel um ihn herum wurde.

 

***

 

„Großer Gott!“ Abby hörte das Brüllen schon von weitem. Sie war einige Stunden fort gewesen und hatte in ihrem Rücksack Wasser und Früchte für mehrere Tage. Sie hatte den Megalosaurus gesehen, als sie zum Fluss unterwegs gewesen war. Er hatte durch den Wald gestreift und schien von irgendetwas die Witterung aufgenommen zu haben. Abby war froh gewesen, denn dann lies er sie wohl endlich in Ruhe. Als sie jetzt auf dem Rückweg war hatte sie die Unruhe im Wald schon früh gespürt.

 

Als sie sich der Gegend näherte hatte sie blutige Spuren und abgerissene Äste gesehen. Hier hatte ein Kampf stattgefunden und irgendjemand hatte ihn verloren. Sie vermutete dass nicht der Megalosaurus der Verlierer war. Aber dieser war in seinem Blutrausch unberechenbar und Abby beschloss noch vorsichtiger zu sein.

 

Als sie sich ihrem Versteck genähert hatte, war das Brüllen nicht zu überhören gewesen. „Connor...“ Es war nur ein Flüstern, dass ihr entfahren war, aber sie schauderte beim Klang ihrer eigenen Stimme. Er war hilflos und wenn der Saurier sie von ihm abschnitt. Connor brauchte sie, auch wenn das Wurzelwerk ihn schützte.

 

Sie schlich die letzten Meter bis zur Hügelkuppe und sah über den Rand. Der Megalosaurus tobte vor ihrem Versteck. Sein Maul war blutverschmiert. Sie hatte recht gehabt, er war im Blutrausch und wollte mehr. Verzweifelt sah sie, wie der Saurier immer wieder gegen das Wurzelwerk anstürmte. Ihr Versteck war gut gewählt, aber trotzdem gab es keine Garantie, dass es dem Angriff eines der größten Saurier widerstand.

 

Abbys Gedanken rasten. Sie musste das Tier ablenken und fortlocken ohne selbst zu seinem Opfer zu werden. Connor brauchte sie. Sie sah zurück und folgte der Spur, die der Saurier im Unterholz hinterlassen hatte. Es dauerte nicht lange und sie fand die Überreste eines kleineren Tieres. Der Megalosaurus hatte den Kadaver zerfetzt und sie brauchte nicht lange um ein großes Stück heraus zu lösen. Sie nahm eine ihrer Wasserflaschen und entleerte sie zur Hälfte. Darin füllte sie eine große Menge des zähflüssigen Blutes ab und vermischte das Ganze. Aus der Ferne hörte sie den Saurier weiter Toben. Sie musste sich ihren Weg vorher genau ansehen und keinen Fehler machen, sonst erwischte er sie. Und sie brauchte ein Ziel und begann sich umzusehen. Sie brauchte ein attraktives Opfer für ihren Megalosaurus, sonst würde er nicht von ihnen ablassen.

 

***

 

Das Gehirn eines Sauriers stand nicht im proportionalen Verhältnis zu seiner Größe und momentan war sein Gehirn in Ekstase. Er hatte gejagt und gewonnen und gefressen und nun wollte er mehr und er hatte seit Tagen die Witterung weiterer Beute aufgenommen und nichts und niemand würde ihn daran hindern.

 

Er roch seine Beute und alles in ihm drängte vor und er lies seine kräftigen Kiefer in das Astwerk sinken. Er zerrte und riss an dem Flechtwerk und wurde immer ungeduldiger. Er wollte seine Beute! 

 

„Hey du Riesenmonster! Lass meinen Freund in Ruhe! Er ist krank und braucht Ruhe!“ Der Saurier lies von seinem Werk ab und wand den Kopf. In einiger Entfernung zappelte ein weiteres Opfer und sein kleines Gehirn überlegte nicht lange. Diese Beute war nur schwer zu erreichen, das zappelnde Etwas hinter dem großen Baum war eindeutig leichter zu erreichen. Er lies ab und wandte sich um.

 

Er würde Jagen und sich die Beute schnappen und nach dem Häppchen würde er hier her zurückkehren. Er hob die Beine an und begann die Verfolgung aufzunehmen. Doch sein Opfer war plötzlich aus seinem Sichtfeld verschwunden. Er witterte und der Duft frischen Blutes stieg ihm in die Nase und er stürmte vorwärts.

 

Er pflügte durch das Unterholz und merkte gar nicht wie er ganze kräftige Äste abknickte wie Streichhölzer. Er roch Blut und er wollte fressen, doch er sah seine Beute nicht. Er sah auch nicht, dass die Bäume immer enger standen.

 

Vor ihm tauchte immer wieder kurz seine Beute auf. Sie war klein und schnell und verschwand immer wieder aus seinem Blick.

 

Abby hatte lange gebraucht das richtige zu finden und ein bisschen tat es ihr für die große Herde Iguanodons leid, doch sie musste an sich und Connor denken und so rannte sie auf die Herde zu und bespritzte einige der Tiere am Rand mit dem Blut des ersten Opfers des Sauriers, der sich inter ihr mühsam durch die eng stehenden Bäume kämpfte. Die Iguanodonherde war bereits in heller Aufregung und wollte fliehen, doch sie hatten sich in einem Talkessel versammelt und würden nur schwerlich rechtzeitig dort heraus kommen.

 

Abby rannte durch die wild trampelnden Tiere und verspritzte den Rest aus ihrer Wasserflasche. Sie rannte weiter und versuchte sich von den panischen Tieren nicht über den Haufen rennen zu lassen und sie wusste das der Megalosaurus diesem leckeren Happen nicht widerstehen konnte.

 

Sie hechtete hinter einen Baum und wandte sich um um zu sehen ob ihr Plan aufging. Der Megalosaurus brach durch die Zweige und brach über die Herde Urzeitkühe herein wie ein Gewitter. Abby sah sich das Abschlachten nicht weiter an. Sie musste zu Connor! Doch vorher musste sich den Blutgeruch an sich loswerden und rannte Richtung Fluß.

 

***

 

Die Dunkelheit brach langsam herein und sie sah sich noch einmal vorsichtig um und rannte dann zu dem Wurzel- und Strauchwerk, das sie bisher so erfolgreich geschützt hatte. Ihr war kalt, denn ihre Kleidung war völlig durchnässt.

 

„Connor!“ Sie zerrte an den verkeilten Ästen vor dem Versteck. Der Saurier hatte ganze Arbeit geleistet und den ganzen Eingangsbereich auseinander genommen. „Connor! Kannst du mich hören? Connor?“ Sie zerrte an einer Wurzel und schob sich zwischen zwei Strängen hindurch und zerrte den Rucksack hinter sich her. Sie achtete nicht auf den Zweig, der ihr das Gesicht zerkratzte. Das Feuer war erloschen und qualmte nur noch leicht und ihr Freund lag nicht daneben. Ihr Blick wanderte hektisch herum.

 

In den dunklen Schatten im hinteren Teil ihres Unterschlupfes sah sie eine Bewegung. „Abby...“ Ihr Herz machte einen Satz. Er lebte, er war wach. Er war noch da. Er lehnte müde und erschöpft an der Rückwand und schien sie kaum wahrzunehmen.

 

Abby robbte zu ihm nach hinten und schlang die Arme um ihn. Hielt sich an ihm fest wie eine Ertrinkende. „Connor!“ Sie war so froh ihn noch zu haben. Sie lehnte sich zurück und besah ihn kritisch. Er zitterte und war sehr geschwächt. Die Aufregung hatte ihm nicht gut getan, aber hey, er war wach und sah sie aus müden Augen an. Er hob seinen Arm und seine Finger glitten langsam an ihrer Wange entlang und sie zuckte kurz als ein kleiner Schmerz sie durchzuckte. „Du blutest..“ Seine Stimme klang müde und leicht verwirrt, doch er sah ihr fest in die Augen. „Du bist da.“

 

„Ja, Connor ich bin da. Wir sind noch da.“ Abby konnte ihre Tränen kaum zurückhalten. „Wie fühlst du dich?“

 

„Müde, schwach und zerschlagen... und besser denke ich.“ Er sah sie ernst an. „Ich ... ich dachte der Saurier... wo ist der eigentlich?“

 

„Ich hab ihm gezeigt wo er reichhaltigere Nahrung findet als uns beiden Hungerhaken. Ist doch nichts dran an uns.“

 

„Du bist nass!“ Abby lächelte. Ein geringer Preis für ihr Leben. Doch die Dunkelheit in ihrem Versteck erinnerte sie an die hereinbrechende Nacht. Sie lauschte, doch sie hörte keinen wütenden noch immer hungrigen Raubsaurier und auch wenn, waren sie hier am sichersten, besonders in der Nacht. Sie löste sich vorsichtig von Connor und robbte vor zur Feuerstelle. Das Holz glimmte kaum noch und sie griff in ihre Tasche und zog eine Seite aus ihrem Notizbuch und begann vorsichtig zu pusten. Sie brauchten das Feuer, sonst würde diese Nacht für sie beide bitterkalt und das würde weder ihr noch Connor gut tun.

 

Sie blies vorsichtig und ihre Geduld wurde stark strapaziert bis endlich eine kleine Flamme das Blatt entlang züngelte. Schnell legte sie weitere kleine Zweige dazu und dann beobachtete sie wie die Flammen immer kräftiger emporstiegen. Erleichtert wandte er sich Connor zu. Ihr Freund lag mit geschlossenen Augen an die Zweige gelehnt. Sie musste ihn näher ans Feuer holen.

 

„Connor?“ Er öffnete müde die Augen. „Komm, wir sollten uns ans Feuer legen. Ich helfe dir.“ Sie zog Connor hinüber und legte ihn neben das lodernde warme Feuer. „Sie griff nach ihrem Rucksack und zog die zweite Wasserflasche hervor. „Du solltest etwas trinken.“ Sie stützte ihn und er trank gierig.

 

„Abby... du frierst doch...“ Er sah sie vorwurfsvoll an. „Nimm meine Jacke.“ Sie fror wirklich und solange sie die nassen Klamotten trug würde sich daran auch nichts ändern. Sie nickte und zog sich aus und hing die Kleidung in der Nähe des Feuers auf und wollte sich in ihre Silberdecke wickeln.

 

„Komm.“ Sie sah zu Connor. „Ich möchte mich bei Doolittle revanchieren.“

 

Abby musste lächeln und schmiegte sich an Connors Seite. Sie schlang den Arm um ihn und schloss die Augen. Er war noch da. Sie waren noch da und vielleicht würden sie irgendwann wieder in ihre Zeit zurückfinden oder Danny finden. Dieses Leben hier war kein wirkliches Leben, aber mit Connor an ihrer Seite würde sie es schaffen.

 

„Abby...“

 

„Ja.“

 

„Bleib bei mir ja?“

 

„Ja. Das werde ich.“

 

Sie drückte Connor an sich als würde sie ihn nie wieder loslassen wollen. „Danke.“

 

Abby lauschte in die Nacht und nach kurzer Zeit wurden Connors Atemzüge gleichmäßiger. Er war eingeschlafen. Abby fuhr mit ihrer Hand durch sein Haar. Sie liebte diesen Kerl. Das hätte sie sich damals nie gedacht, als sie kennen lernte. Was war seit dem alles geschehen. So viele Verluste und das einzige was ihr geblieben war, war Connor.

 

Sie lauschte. Sie hörte die Windspiele. Vielleicht hatte Connor recht. Vielleicht fanden sie einen Weg zurück. Vielleicht sollte sie wie Connor sein.

 

Sie schmiegte sich an ihn und schloss die Augen. Es tat gut ihn zu spüren. Irgendwann schlief sie ein.

 

***      

 

Connor schlug die Augen auf als die ersten Sonnenstrahlen durch das Blätterdach brachen. Er fühlte sich besser und Abby war bei ihm. Sie lag neben ihm und ihre Hand in der seinen. Er würde sie nicht mehr loslassen. Die Geräusche des Waldes erwachten und er hörte in weiter Ferne ein großes Tier durch das Unterholz brechen. Vermutlich würde ihnen der Megalosaurus ihnen noch viel Ärger machen, aber für den Moment war er laut Abby satt. Sie würden weiterhin Wurzeln essen und Wasser vom Fluß holen und vielleicht würden sie irgendwann dieses Lager aufgeben müssen.

 

Connor wollte die Hoffnung nicht aufgeben Danny und die anderen wieder zu sehen. Diese Welt war so fantastisch und hier zu leben schwer aber auch faszinierend. Als kleiner Junge hatte er immer mit kleinen Dinosaurierfiguren gespielt und seinen Onkel damit verblüfft sich schon als 6-jähriger alle lateinische Namen zu merken. Und jetzt war er hier! Mit Abby an seiner Seite.

 

Es war nicht leicht und allein hätte er das nicht geschafft. Er strich über Abbys Hand und wand sich in ihren Armen herum. Sie öffnete die Augen. Ihr Gesicht war direkt vor ihm. „Hi...“

 

Connor sah in das lächelnde Gesicht und sagte gar nichts. Er war der größte Glückspilz dieser frühen Erdepoche und er würde dieses Glück festhalten. Er zog Abby näher zu sich und küsste sie sanft auf die Lippen.

 

„Wofür war der?“

 

„Für mich. Reiner Egoismus.“ Sie grinste.

 

„Dann will ich meinen Anteil!“ Sie küsste ihn innig und Connor verlor sich darin.

 

Draussen erwachte der Wald und in einiger Entfernung richtete sich ein Velociraptorweibchen sein Nest ein. Nicht mehr lange und es würde seine Eier legen. In den Zweigen seines Nestes lagen viele Sachen, die ihr Partner immer wieder heranschleppte. Die in der Morgensonne blinkenden Dinge fesselten immer wieder ihren Blick und sie gierte nach mehr. Mit einer Kralle schob sie ein Stück weichen Stoffes weiter hinein, damit ihr Nest schön weich war.

 

Das Weibchen hörte den Ruf ihres Partners und verlies ihr Nest. Sie witterte Rauch wurde neugierig. Aus sicherer Entfernung beobachtete sie die Rauchfahne an einem großen Baum. Ihre Witterung nahm auch den Geruch eines Raubsauriers war. Es würde warten, aber es war neugierig.

 

Der Wald erwachte weiter zum Leben doch Connor und Abby nahmen nur sich selbst war.

 

-ENDE-