Kelowna – Teil 2

PG, 7. Staffel

Pairing: Jonas/Kianna

Anmerkung: Zunächst ein Danke an meine Beta Jolinar_Jackson. Diese Geschichte war eine spontane Idee und führt die Geschichte des Paares weiter. Zudem wollte ich intensiv auf die Beziehung und Gefühle zwischen Kianna und Jonas eingehen. Wie immer der Hinweis auf gern gesehenes Feedback in meinem Gästebuch.

Rückblick: SG-1 musste in Teil 1 Jonas und Kianna von Kelowna retten. Auf dem Planeten war das politische Chaos ausgebrochen und Jonas wurde bei einem Bombenanschlag schwer verletzt.

Inhalt: Jonas und Kianna erholen sich auf der Erde, doch die Ungewissheit über ihre Heimat lässt sie verzweifeln...

***

Die Nachtischlampe warf ein warmes Licht auf die kargen Wände. Die Gästequartiere des Stargatecenters verströmten noch nie viel wohnliche Atmosphäre, doch sie hatten versucht den Raum mit Kerzen und einigen Asseccoires aufzuheitern. Jonas lag auf der Seite und hatte den rechten Arm unter das Kissen geschoben. Es war nun schon vier Wochen her, seit sie Kelowna verlassen hatten und die ersten drei Wochen hatte er bei Janet auf der Krankenstation verbracht. An die ersten Tage erinnerte er sich nicht mehr, er war beatmet worden und Janet hatte ihn in ein künstliches Koma versetzt.

Jonas sog prüfend die Luft ein und rieb sich mit der Linken sanft über die Seite. Ein großes Wundpflaster schützte die Narbe und ein leichtes Ziehen durchzog den Wundbereich. Es würde noch dauern. Janet hatte ihn zwar entlassen, aber auch nur in sein Quartier. Doch Jonas war ungeduldig, er wollte nicht hier sein, er wollte unbedingt zurück. Die Menschen auf seinem Planeten starben. Er wusste nicht was er dagegen tun konnte, aber er musste es wenigstens versuchen. Er zog die Hand unter der Decke hervor und besah sich die noch leicht verkrustete Narbe auf dem Handrücken. Warten! Er war noch nie sehr geduldig gewesen, doch es blieb ihm nichts übrig.

Jonas seufzte, er war wieder auf der Erde! Ein Teil seines Inneren hatte sich dies gewünscht, seit er sie verlassen hatte. Die Zeit hier war für ihn fast berauschend gewesen. Die vielen neuen Erfahrungen, die Reisen zu so vielen neuen Welten und sein Team, immer wieder hatte er auf Kelowna daran gedacht.

Auf seinem Heimatplaneten ging es meist um Politik, dabei hätte er sich viel lieber intensiver mit der Forschung beschäftigt. Zwar hatte er mit Kianna die Forschungen vorantreiben können, aber die politischen Strömungen auf seinem Heimatplaneten hatten ihre Arbeit immer wieder erschwert. General Hammond ließ das Gate auf Kelowna immer wieder anwählen, hatte aber seit ihrer Rückkehr keinen Kontakt bekommen. Diese Ungewissheit machte ihn fertig, er musste wissen, was auf Kelowna geschah, ob seine Freunde noch lebten oder ob diese Irren den ganzen Planeten bereits in die Luft gejagt hatten.

Er spürte eine Bewegung hinter sich und Sekunden später nahm er die Wärme ihres Körpers an seinem Rücken war. Kianna schmiegte sich von hinten an ihn und er genoss das Gefühl ihrer Hand, die sich sanft auf seine Brust legte.

„Woran denkst du gerade, Jonas?“

„Das weißt du doch!“

Sie zögerte kurz. Sicher wusste sie es, sie hatten schon zu oft darüber gesprochen und obwohl sie ihn in allem unterstützte, war er sich doch sicher, dass sie Angst davor hatte zurück zu kehren. „Ja.“

Ihre Hand wanderte zärtlich über seinen Oberkörper und er genoss jeden Zentimeter Nähe mit ihr. Kianna war immer für ihn da und unterstützte ihn, hatte aber genauso ihren eigenen Kopf. Würde man ihn fragen, würde er ihre Zweisamkeit als geradezu symbiotisch bezeichnen. Er tastete mit der linken Hand nach der ihren und ergriff sie. „Danke!“

„Wofür?“ Kianna kannte vermutlich auch jetzt bereits seine Antwort.

„Dass du bei mir bist.“

„Das verdanke ich nur dir.“ Kianna überraschte ihn immer wieder. Sie hatte die Übernahme durch den Goa´uld gut verarbeitet und redete immer ganz offen darüber. Ohne sein Vertrauen hätte sie damals aufgegeben. Sie küsste ihn sanft in den Nacken. „Ich liebe dich!“

Jonas lächelte. Ja, er liebte sie auch. Er konnte gar nicht beschreiben, wie sehr er diese Frau liebte. Er versuchte sich vorsichtig zu ihr um zu drehen, auch wenn ihn die Schiene an seinem Bein behinderte. „Vorsicht!“

„Es geht schon, aber ich möchte deine Augen sehen.“ Er sah in ihre wunderschönen Augen.

„Warum?“ Sie lächelte verschmitzt.

„Weil du für mich alles bedeutest!“ Kianna strahlte, doch dann wurde ihr Gesicht ernst.

„Kianna?“ Er legte seine rechte Hand an ihre Wange. „Es ist wegen Kelowna, nicht wahr?“

Sie sog die Luft tief ein und sah ihn nur stumm an. Sie hatte solange geschwiegen und auch jetzt schien sie stumm bleiben zu wollen, auch wenn er ihre Gedanken kannte. Er strich durch ihr blondes Haar. Wie einfach wäre es jetzt für sie zu sagen: [i]Wenn ich alles für dich bin, warum willst du dann zurück?[/i] Doch sie schwieg, sie setzte ihn nicht unter Druck. Auch Kianna stammte von Kelowna, aber sie würde nicht alles für ihre Heimat opfern. Vielmehr war sie wütend über die Menschen, die ihren Planeten und damit vielleicht ihre Zukunft zerstörten.

„Ich verstehe dich ja, Jonas, aber...“, sie holte tief Luft, „warum willst du dein Leben für diese Ignoranten wegwerfen?“ 

„Weil dort auch Menschen wie du und ich leben, Menschen die dir und mir etwas bedeuten.“

„Bin ich egoistisch, wenn ich nicht an sie denken will sondern nur an uns?“

„Ich denke nicht, du bist eher menschlich.“ Kianna lächelte und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich möchte dich nicht verlieren. Ich halte das nicht noch einmal aus.“ Dabei strich sie über seine bandagierte Hand.

Jonas verlor sich in ihrer Umarmung und für den Moment zählten nur sie beide. Kianna langte an ihm vorbei und mit einem leisen Klacken erlosch das Licht. „Ich liebe dich auch!“

***

Daniel griff nach der Kaffeetasse und schnappte sich noch einen Bagel, bevor er die Kantine verließ. Er hatte noch viel vor an diesem Tag, denn ihre Missionen waren für drei Tage ausgesetzt. Genug Zeit, um seine Antikerforschungen voran zu bringen. Daniel schlenderte gut gelaunt durch den Flur. Es herrschte nicht all zu viel Betrieb, solange die Gatediagnostik überholt wurde. Einige Techniker kamen ihm wild diskutierend entgegen, aber das waren schon die einzigen bis zum Aufzug.

Daniel kaute gerade herzhaft, als er sein Büro betrat und direkt innehielt. Er war nicht allein. Auf seinem Stuhl saß Jonas und blätterte fasziniert in seinen Unterlagen. Er hatte Daniel gar nicht bemerkt und studierte die vor ihm liegenden Skripte. Daniel wartete noch einen Moment, bevor er ihn unterbrach. Jonas hatte sich erstaunlich gut erholt, es wunderte ihn nicht, dass er Abwechslung suchte. Daniel räusperte sich.

„Hätte ich gewusst, dass du hier bist, hätte ich dir auch einen Kaffee mitgebracht.“ Daniel betrat den Raum, während Jonas überrascht zu ihm herübersah. Sofort wollte er aufstehen und den Platz räumen, aber ganz so schnell ging das noch nicht, war er doch auf die am Schreibtisch lehnende Krücke angewiesen.

„Oh entschuldige, ich...“

„Bleib ruhig sitzen, ich freue mich über etwas Gesellschaft bei all dem Technikergewusel hier.“ Daniel zog sich einen Stuhl heran. Die Unterlagen, in denen Jonas gestöbert hatte, enthielten alte Antikertexte, die sie in einem Stützpunkt von Anubis gefunden hatten. „Was macht das Bein?“

„Wird besser, aber das Ding“, er deutete auf die Gehhilfe, „werde ich wohl noch eine Weile brauchen.“ Das klang frustriert. Daniel konnte ihn gut verstehen. Jonas´ Situation war nicht leicht. Er musste seinen Planeten verlassen und seinen alten Platz gab es auf der Erde auch nicht mehr, also war das einzige sichere in seiner Zukunft zur Zeit Kianna. Eigentlich beneidenswert. Er hatte nicht soviel Glück, alles eine Frage der Sichtweise.

„Was willst du machen, wenn es dir wieder besser geht? Hier bleiben oder zurück nach Kelowna?“

„Kann ich das?“ Jonas sah ihn bitter an. „Wer weiß ob es noch etwas zum zurückkehren gibt?“

„Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben. Wenn ich in den Jahren hier irgendetwas gelernt habe, dann das.“ Daniel dachte an die vielen Momente, in denen die Erde in Gefahr war, oder an seine Erlebnisse auf der anderen Seite des Dimensionsspiegels. Die Verzweiflung konnte einen auffressen. „Und ich hatte oft Grund genug zu zweifeln.“

Jonas lehnte sich zurück und sah ihn ernst an. „Aber warum meldet sich niemand?“

„Dafür kann es viele Gründe geben, das weißt du ganz genau. Was, wenn das Gate verschüttet ist?“

„Was, wenn niemand mehr dort ist um zu antworten?“

„Jack würde mich für soviel Pessimismus strafversetzen!“ Daniel nahm genüsslich einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Er konnte sich Jack bildlich vorstellen, wie er vor ihm stand und schimpfte.

Jonas lächelte, wenigstens das hatte er erreicht. Jetzt musste er ihn nur noch auf andere Gedanken bringen. Daniel wusste, dass Sam zur Zeit an einem neuen Projekt arbeitete. „Jonas, hast du heute schon bei Sam reingesehen?“

Jonas schüttelte den Kopf, das Lächeln war längst wieder verschwunden.

„Na bestens! Ich auch noch nicht.“ Damit stellte er die Tasse ab und griff nach der Gehhilfe und streckte sie dem jungen Mann entgegen. Jonas zögerte, doch dann griff er zu und stemmte sich vorsichtig hoch. Er hatte eine Metallschiene um das rechte Bein, die sein Knie schützte und Daniel zog seinen Stuhl zur Seite, um ihm genug Raum zu geben.

Gemeinsam folgten sie dem Gang in Richtung Labore. Am Aufzug hatte Jonas sich kurz an die Wand gelehnt und nach Luft geschnappt. Er war noch lange nicht wieder gesund, auch wenn er kämpfte. Kämpfte, um heimkehren zu können und Daniel bewunderte ihn dafür.

„Sam?“ Sie hatte das Labor erreicht, doch sie war nicht da. Es sah aus, als hätte sie alles stehen und liegen gelassen. Daniel sah Jonas ratlos an. „Eigentlich müsste sie hier sein, sie verlässt diesen Raum sonst ja meist nicht einmal zum Schlafen.“ Daniel hatte jetzt ein schlechtes Gewissen, den gehandicapten Jonas bis hier her geschleppt zu haben, er hätte vorher im Labor anrufen sollen.

„Oh, Dr. Lee! Wissen Sie, wo Major Carter steckt?“

„Wissen Sie das nicht? Ihr Vater ist vor einer Stunde eingetroffen.“

„Was? Nein, das ist neu. Aber das Gate ist doch...“

„Tja, im Gegensatz zu uns sind die Tok´ra nicht auf das Gate angewiesen. Er ist mit einem Schiff gekommen. Vermutlich sind sie in der Kantine, sie entschuldigen mich...?“

„Ja sicher!“ Er wandte sich entschuldigend zu Jonas um. „Tut mir leid, das wusste ich nicht... sollen wir...“ Daniel verstummte. Jonas schien ihm gar nicht zuzuhören und starrte hinter Dr. Lee her.

„Jonas?“

„Ja, entschuldige. Ähm... ich denke ich gehe in unser Quartier zurück und lege mich etwas hin.“ Diese Aufheiterungsmission war ja nun gänzlich misslungen, Jonas schien noch schlechtere Laune zu haben. Er wandte sich um und humpelte davon.

„Ja klar. Bis später dann, Jonas.“

***

Er hatte nachmittags etwas geschlafen und hatte sich danach bei Janet zum Verbandswechsel eingefunden. Sie war zufrieden mit dem Heilungsprozess, doch Jonas konnte es nicht schnell genug gehen.

Er saß auf der Couch und blätterte in einem von Daniels Büchern, während Kianna sich bereits Schlafen gelegt hatte. Er sah zu ihr herüber, wie sie auf dem Bett lag. Ihre Gesichtszüge waren entspannt und Jonas konnte sich bei diesem Anblick immer neu verlieben.

Zu Beginn hatte sie ihm die kalte Schulter gezeigt und ihm vorgeworfen, sich nicht für sie sondern ihren Host interessiert zu haben, wie es ihm schon der Goa´uld im Schiff kritisiert hatte. Ein seltsamer Gedanke, aber leider vermutlich zu wahr. Er hatte lange gebraucht sich dies einzugestehen. Sie hatten ganz neu anfangen müssen und es geschafft, das Gewesene dabei zwar nicht zu vergessen, aber zu akzeptieren.

Es war nicht leicht gewesen für Kianna an seiner Seite. Viele auf Kelowna feindeten ihn an und damit auch sie. Sie ertrug alles und bestärkte ihn immer wieder in seiner Arbeit. Gleichzeitig bot sie ihm Kontra und inspirierte ihn. Sie hatten gemeinsam ihre Forschungen vorangetrieben und ergänzten sich perfekt.

Er sah sie weiter an, sie war einfach perfekt. Ihr blondes Haar, ihre zarten Gesichtszüge und ihr Lächeln hatten ihn gefangen und nicht mehr losgelassen. Sie bedeutete ihm alles.

Jonas Magen zog sich zusammen. Das gleiche hatte er ihr gestern auch gesagt, aber war es wirklich so? Es ließ ihn nicht los, er musste zurück in seine Heimat, zurück nach Kelowna. Es machte ihn wahnsinnig, dass der Planet nicht auf die Anwählversuche reagierte.

Es musste doch einen Weg geben zu erfahren, was geschehen war. Der Regierung war alles zuzutrauen. Jonas schlug das Buch frustriert zu. Es war sehr nett von Daniel, ihn mit Lesestoff zu versorgen, auch sein Aufmunterungsversuch heute morgen, aber er konnte das Grübeln nicht lassen. Da hätte Sam auch nichts daran geändert.

Sam! Jonas Gedanken begannen zu rasen. Sam! Das war die Idee. Ihr Vater war die Lösung! Er musste unbedingt mir ihr sprechen.

Er legte das Buch zur Seite und griff nach seiner Krücke. Dabei stieß er versehentlich an den Tisch und er sah erschrocken zu Kianna herüber, doch sie drehte sich nur unter der leichten Decke und schlief weiter. Jonas hielt kurz inne, doch dann fasste er einen Entschluss – er musste es einfach wissen!

Damit begab er sich auf die Suche nach Sam, ihrem Vater oder am besten gleich General Hammond.

*** 

„Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Jonas!“ Der General schüttelte energisch den Kopf. „Kelowna ist viel zu weit entfernt und Sie sind noch lange nicht wieder gesund.“

Jonas diskutierte jetzt schon seit 15 Minuten mit dem General. Er hatte die meisten Argumente bereits vorgebracht, dass sie es allein wegen des Nachschubs  an Naquadriah wissen mussten. Ein Argument blieb ihm noch, aber er wartete auf den richtigen Moment.

„Was sagt überhaupt Dr. Fraiser dazu?“

„Nun,...“, Jonas fuhr sich mit der Hand über den Nacken und setzte sein Entschuldigungslächeln auf, „wenn ich ehrlich bin, weiß sie es noch gar nicht.“

„Das kann ich mir denken, ihre Antwort wäre auch zu offensichtlich!“ Der General schlug eine Akte auf, wohl um ihm zu zeigen, dass die Diskussion beendet war.

„General Hammond, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie SG-1 nach Kelowna entsendet haben, um mir und Kianna zu helfen.“

„Das war selbstverständlich, wir haben Ihnen schließlich auch viel zu verdanken.“

„Genauso selbstverständlich ist es für mich, mich um meine Heimat zu sorgen.“

„Jonas, Sie...“ Er wurde vom Öffnen der Tür unterbrochen. „Was denn noch?!“

Sam betrat das Büro und merkte gleich, dass sie einen schlechten Moment erwischt hatte. „Sir, entschuldigen Sie.“

„Major Carter? Ich dachte Sie wären...“ Er verstummte und sah mit hochrotem Kopf zu Jonas herüber. „Sie haben Major Carter bereits gefragt?“

Jonas biss sich auf die Lippen. Letztlich war es Selmak´s Entscheidung, doch Jonas hätte gern die Zustimmung des Generals gehabt. Sam schloss die Tür hinter sich.

„Sir, mein Dad ist einverstanden.“

***

Der General war still geworden und hatte dann abgewinkt. Jonas hatte sein Ziel erreicht. Bereits am nächsten Morgen sollte es los gehen, aber zuvor hatte er noch zwei Hürden zu überwinden. Die erste betraf Janet. Natürlich musste er nicht mitfliegen, um zu erfahren, was auf Kelowna geschehen war. Selmak hätte die Situation überprüfen und sie informieren  können, doch Jonas hatte das Gefühl, es mit eigenen Augen sehen zu müssen.

Kianna, er musste mit ihr reden, bevor sie es von jemanden anderem erfuhr. Er lenkte seine Schritte Richtung Privatquartiere und überlegte fieberhaft, wie er anfangen sollte. Doch als er die Tür öffnete, war der Raum still und verlassen. Wo konnte sie sein? Er machte sich auf den Weg zu den Laboren. Kianna war mindestens so wissensdurstig wie er, daher war das die logischste Wahl.

Als er Daniel und Kianna im Flur stehen sah, wusste er, dass er zu spät auf diese Idee gekommen war. Kiannas Blick war eindeutig und er verstand ihre Reaktion.

„Kianna, ich...“

Jonas verstummte, als er den feuchten Schimmer in ihren sonst so strahlenden Augen sah. Daniel war höflich genug sich ein paar Schritte zurückzuziehen und sie in diesem privaten Moment allein zu lassen.

„Und wann wolltest du mit mir darüber reden?“ Ihr Blick traf ihn im innersten, sie rang sichtlich um Fassung und wandte sich um.

„Kianna, warte...“ Sie war sich bewusst, dass er ihr nicht folgen konnte und verschwand um die nächste Ecke. Jonas fluchte innerlich. Er hätte gestern Abend erst mit ihr sprechen sollen.

„Jonas?“ Er wandte sich zu Daniel um, der in wissend anlächelte. „Geh ihr hinterher!“

„Das sollte ich wohl.“

Als er zehn Minuten später die Tür zu ihrem Quartier öffnete war Kianna bereits dort und zu Jonas Überraschung packte sie. „Kianna?“ Er schloss die Tür hinter sich und zog sich einen Stuhl heran. Sie schwieg und ignorierte ihn. Das hatte er wohl verdient. Er setzte sich. Er war zu viel gelaufen und jetzt schmerzte sein Knie. Jonas wusste nicht, was er sagen sollte, also schwieg er lieber.

Es vergingen fast fünf Minuten, bevor sie mit dem Packen innehielt. „Glaubst du, ich verstehe dich nicht? Glaubst du wirklich Kelowna wäre nicht auch mir wichtig?“ Kianna setzte sich auf den Rand des Bettes und sah Jonas bitter an. „Ich liebe dich, Jonas Quinn, aber manchmal weiß ich nicht wieso!“

„Es tut mir leid!“ Jonas fiel nichts besseres ein.

„Das sollte es auch!“

„Ich muss vielleicht sowieso da bleiben, wenn Janet nicht zustimmt.“

„... und ich soll alleine fliegen?“ Sie lächelte ihn frech an. „Ich werde Janet schon umstimmen.“

Jonas stand auf und trat an das Bett, wo er Kianna hochzog. Er umfing sie mit seinen Armen und drückte sie fest an sich. „Ich glaube, ich habe dich gar nicht verdient.“ Er liebte sie, liebte ihren Duft, ihr Lächeln, ihre Augen, einfach alles an ihr!

Sie nahm sein Gesicht in ihre zarten Hände und küsste ihn leidenschaftlich. Seine Arme umschlossen sie noch fester. Nie wieder würde er diese Frau loslassen.

***

Kianna hatte Wort gehalten und Janet überzeugt und nun saßen sie in einem Militärtransporter auf dem Weg zur Miller-Air-Base um sich dort an Bord des Raumschiffes zu begeben.

Sie sollten Kelowna innerhalb von 24 Stunden erreichen können und dann würden sie Gewissheit haben.

Sam und Daniel hatten sich bereit erklärt, sie zu begleiten und so saßen sie mit Selmak ihm und Kianna gegenüber, während der Wagen weiter rasant um die Kurven bog. Janet hatte ihm alle möglichen Ratschläge und Gebote mit auf den Weg gegeben, doch Jonas fühlte sich fit genug.

Kianna hielt seine Hand und drückte sie zuversichtlich. Sie hatten in der Frühe alle ihre Sachen gepackt. Es war nicht gerade viel gewesen, doch vielleicht hatten sie die Möglichkeit, gleich dort zu bleiben. Jonas wollte und würde seinen Optimismus so schnell nicht aufgeben. Allerdings bereute er, sich nicht mehr von Jack und Teal´c verabschieden zu können, die die kurze Auszeit für einen Trip zum See genutzt hatten.

Verabschiedet hatte er sich schon so oft im Leben. Er hoffte irgendwann auch einmal in seinem Leben anzukommen. Er sah zu Kianna, die die vorbei rasende Landschaft durch ein offenes Fenster beobachtete. Ihr Blick drückte soviel Faszination für das Neue aus, ihre Augen strahlten regelrecht. So war es immer, wenn sie auf etwas unbekanntes stieß und von der Erde hatte sie nun wirklich noch nicht viel gesehen. Sie hatte seine Blicke wohl bemerkt und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Vielleicht war er doch angekommen – bei ihr!

„Jonas, wir sind gleich da!“ Sam musste laut rufen um den Fahrtwind zu übertönen. Der Wagen verlangsamte und hielt an einem stark bewachten Tor. Als sie fünf Minuten später auf das Flugfeld fuhren, erwartete sie eine erfreuliche Überraschung.

Jack saß auf der Motorhaube seines Hummer und grinste ihnen zufrieden entgegen. Teal´c stand neben dem Wagen und trug wie der Colonel komplette Ausrüstung. Sah nicht so aus, als wären die beiden nur zum Verabschieden gekommen, zumindest nach Sam´s grinsendem Gesicht.

„Jonas, du hast doch wohl nicht gedacht, dass ihr beide diesen kleinen Ausflug ohne uns machen dürft.“ Jack sprang vom Wagen und reichte Kianna charmant eine Hand um ihr beim Aussteigen zu helfen. „Vor allem bei so reizender Reisebegleitung.“

Kianna nahm die Hilfe schmunzelnd an, wandte sich dann aber zum Wagen, um Jonas zu helfen, der durch seine Beinschiene gehandicapt war.

„Ich freue mich, dass ihr dabei seid!“ Jonas nickte Teal´c zu, der seinen Dank mit einem Kopfnicken quittierte.

„Können wir?“ Selmak hatte das Schiff geöffnet und stand einladend an der Tür.

***

Sam und ihr Vater saßen in den Pilotenstühlen, während die anderen im sich im hinteren Abteil zu beschäftigen suchten. Die Reise würde nicht mehr lange dauern und alle waren gespannt, was sie vorfinden würden. Jack sah diesem Moment mit gemischten Gefühlen entgegen. Was wenn Kelowna nicht mehr existierte? Die Sprengkraft einer Naquadriahbombe konnte einen ganzen Planeten zerstören. Wie würden Jonas und Kianna damit umgehen?

Jack war sich sicher, dass sich ein Platz und eine Aufgabe für die beiden auf der Erde finden würde, doch wollten sie das überhaupt? Jack sah zu Daniel hinüber, der sich einige Übersetzungen mitgenommen hatte und völlig in seine Arbeit vertieft war. Er konnte ich gut daran erinnern, wie sehr Daniel der Gedanke mitgenommen hatte, die Erde zu verlieren und nichts tun zu können. Alternative Realitäten, wer weiß, vielleicht gab es irgendwo eine Dimension, in der am Ende alles so ist, wie es sein muss. Doch wie musste es sein?

Sicher würde er sich wünschen, dass vieles in seinem Leben anders gelaufen wäre, aber was wäre der Preis für dieses zurückdrehen der Zeit? Vielleicht hätte er seinen Sohn aufwachsen sehen, aber wie vieles in seinem Leben wäre nie passiert. Er sah zu Daniel, der ihm vermutlich nie begegnet wäre, zu dem meditierenden Teal´c und er sah zum Cockpit. Auch ihr wäre er nie begegnet. Es gab keine perfekte Dimension, keine ideale Welt, in der alles richtig lief, aber vielleicht würde sich für Kianna und Jonas alles zum Guten wenden.

Jack erhob sich und nickte Jonas zu, der ihm mit der in seinen Armen schlafenden Kianna gegenüber saß. Sie waren noch immer im Hyperraum und die Sterne waren in ihrem Vorbeiflug nicht mehr als solche zu erkennen. Jack faszinierte dieser Anblick immer wieder aufs neue, es wirkte so surreal, wie die Lichtfetzen vorbeizogen. Er trat von hinten an Sam und Selmak heran und sah ihnen über die Schulter.

„Wie lange noch?“

Selmak wandte sich zu ihm um und wieder einmal reagierte Jack ob der verzerrten Stimme irritiert. Daran würde er sich wohl bei diesen Tok´ra nie gewöhnen. „Wir werden den Normalraum über Kelowna in wenigen Minuten erreichen.“

Jack atmete tief durch, dann würden sie bald Gewissheit haben. Der General hatte die Mission letztendlich offiziell genehmigt, denn auch er konnte den strategischen Nutzen des Naquadriahvorkommens auf Kelowna nicht verleugnen.

„Ist es soweit?“ Jack wandte sich überrascht zu Jonas um, der sich gegen den Rahmen der Tür lehnte und in den Weltraum hinaus starrte.

„Ja, Jonas!“

***

Alles in seinem Inneren war aufgewühlt und zum einen wollte er Gewissheit und auf der anderen Seite fürchtete er sie ebenso. Jonas blickte wie die anderen gebannt auf die vorbeihuschenden Sternenlichter. Er nahm hinter sich eine Bewegung war und spürte, wie sich eine Sekunde später die zarten Arme Kiannas an ihn schmiegten. Ja, sie würden diesen Moment zusammen erleben und gemeinsam Freude oder Leid teilen.

Alle versammelten sich nun im vorderen Teil des Schiffes und blickten nach vorn. Sam erhob sich und sah sich zu ihm um. „Jonas, setz dich hierher!“

Eigentlich widerstrebte es Jonas, sich dort hin zusetzen. Viel lieber blieb er hinten, möglichst weit weg von der Realität, wie er es empfand. Seine schmerzende Seite wäre ihm sicher dankbar, wenn er sich setzte, also nickte er und schob sich mit Kianna an seiner Seite nach vorne.

Als er sich in den Sitz sinken ließ, nahm Kianna auf der Lehne Platz, sie hatte seine Hand nicht los gelassen. Er blickte zu ihr auf und in ihrem Blick aus dem Fenster hinaus lag genauso viel Erwartung wie Befürchtung, wie er in seinem Inneren empfand.

„Es ist so weit,“ Selmaks tiefe Stimme ließ ihn tief Luft holen, alles in Jonas machte sich bereit und Kiannas Hand verkrampfte sich in seiner. Ein Ruck fuhr durch das Schiff und schlagartig veränderte sich das Bild im Sichtfenster. Einzelne Sterne erfüllten den Sichtschirm und Jonas versuchte sich zu orientieren. Dort war die Sonne, dahinter Kelwin, der erste und unbewohnbare Planet des System, dann kam Donare, der zweite Planet, doch er konnte nirgendwo den dritten Planeten erkennen.

„Wo ist er?“ Jonas sah sich verzweifelt zu Sam um.

„Vermutlich wird er durch die Sonne verdeckt. Hab etwas Geduld, Jonas!“ Kiannas Stimme konnte ihn nur wenig beruhigen. Er registrierte, wie Selmak eine lange Flugkurve um die Sonne herum ansteuerte und kniff die Augen zusammen, um hinter der blendenden Sonne etwas zu erkennen.

„Dort, Jonas Quinn!“ Jonas konnte es noch nicht sehen, aber die Augen des Jaffas waren mit Sicherheit die Besten hier an Bord. Doch jetzt sah er es auch, ganz langsam schob sich der dritte Planet des Systems, ihre Heimat Kelowna, hinter der Sonne hervor. Kelowna existierte noch! Bei all dem Naquadriah in diesem Planeten hatte er befürchtet, dass er vielleicht explodiert war, doch seine Heimat existierte noch. Er spürte den festen und zuversichtlich Druck von Kiannas Hand.

Sie würden zurückkehren! Ihnen war es egal wie schwierig es sein würde, Kelowna war ihre Heimat und für die würden sie kämpfen.

„Da stimmt was nicht!“ Sam beugte sich zu den Kontrollen und justierte eine der Anzeigen. Sam sah besorgt aus dem Sichtfenster und auch Jonas sah, was er eigentlich nicht sehen wollte. Der Planet trat nun langsam hinter der Sonne hervor und noch waren nicht viele Details zu erkennen. Doch das brauchte Jonas auch nicht.

Kelowna existierte noch, aber nicht wie er es in Erinnerung hatte. Vom All konnte man normalerweise die blauen Ozeane erkennen und das Alwarigebirge stach auf dem größten der drei Kontinente hervor, doch von all dem war nichts zu sehen. Eine dunkle Wolke umzog den gesamten Planeten, hüllte ihn fast vollständig ein und versperrte ihnen den Blick.

„Carter? Was hat das zu bedeuten?“ Jonas wusste es bereits und auch Kianna, die erstarrt neben ihm saß, wusste genug, um die Anzeichen richtig zu deuten. Sam starrte auf die Anzeigen und biss sich betroffen auf die Lippe. Fast schien sie mit einem Seitenblick Jonas und Kiannas Einverständnis abzuholen, das auszusprechen, was ihre Anzeigen offenbarten.

„Ich messe hohe Strahlungswerte, zu hoch... zu hoch um Leben zu ermöglichen.!“ Den Rest konnten sie alle sehen. Die Wolken verschlangen alles Licht auf dem Planeten und würden all jenes Leben auslöschen, dass die erste Katastrophe überstanden hatte. Jonas hatte viel über die Geschichte der Erde gelesen und kannte deren Namen für dieses Szenario: Nuklearer Winter!

Das hörte sich so harmlos an. Jonas ließ sich in seinen Sitz zurücksinken und schloss die Augen, als könne er die Realität damit ausblenden.

*** 

Daniel stand neben Selmak und starrte durch das Fenster, so wie alle im Cockpit. Es herrschte betretenes Schweigen nach Sams Worten. Sie alle hatten es so gehofft, doch Jonas Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Wie oft hatten Politiker auf der Erde dieses Szenario für die Erde prognostiziert und doch unrecht behalten? Dies jetzt auf Kelowna zu erleben, erinnerte einen auch an die menschlichen Schwächen und wie knapp sie manchmal an einer solchen Katastrophe vorbei gekommen waren. Daniel hoffte, dass es auf der Erde nie soweit kommen würde.

Er blickte zu Jonas und Kianna herüber, denen der Schock ins Gesicht geschrieben stand. Jonas schloss betroffen die Augen, während sich in Kiannas Augen Tränen zeigten, die sie verzweifelt wegzublinzeln versuchte. Niemand sprach ein Wort, sie alle waren sich der Schwere der Situation bewusst und wollten den beiden Kelowianern genug Zeit und Raum für diese Schocksituation bieten.

Selmak hatte das Schiff gestoppt und Sam kontrollierte noch immer die Werte auf ihren Bildschirmen und schüttelte dabei immer wieder fassungslos den Kopf. Alles in Daniel drängte danach, das Schweigen zu brechen, doch so wie ihm schien es jedem zu gehen. Wie viele Menschen hatten auf Kelowna gelebt? Daniel erinnerte sich an die Zahl von 23 Millionen, eine unvorstellbare Zahl!

Sam schien etwas sagen zu wollen und sah zu ihm herüber, doch Daniel schüttelte den Kopf. Nichts, was sie jetzt sagen könnte, würde den beiden helfen.

Kianna und Jonas saßen noch immer unbewegt auf dem linken Pilotensitz, als Jonas die Augen öffnete und mit regungsloser Miene aus dem Fenster starrte. „Danke, Selmak! Wir können zurückkehren.“ Jonas Worte schnitten wie Schwerter in die Stille und es lag soviel Schmerz und Verzweiflung darin. Jonas schob sich aus dem Sitz und sah Kianna fest in die Augen. Die stumme Kommunikation zwischen den beiden war regelrecht greifbar. Sie nickte und gemeinsam verließen sie stumm die Pilotenkanzel und gingen nach hinten. Es war, als schlossen sie mit ihrer Heimat ab. Zurück blieben bestürzte Gesichter.

„Carter? Irgendwelche Chancen, Überlebende zu finden?“

„Nein, Sir! Kelowna hatte keine Raumfahrt und die Strahlenwerte zeigen, dass dies schon vor 2-3 Wochen geschehen ist. Wer immer die Explosion, vielmehr die Explosionen überlebt hat, ist inzwischen nicht mehr am Leben, laut der Messung liegen die Temperaturen dort unten weit unter 30° Celsius, zudem erschüttern schwere Erdbeben den Planeten.“ Sam nahm auf dem nun leeren Sitz Platz und warf einen Blick über die Schulter.

„Was werden die beiden nun tun?“

Daniel fragte sich das gleiche und hatte auch keine Antwort. Überraschenderweise beantwortet Sams Vater die Frage. „Sie werden trauern und dann werden sie leben. Wo auch immer, wie auch immer, aber sie haben als letzte Überlebende eines ganzen Volkes diese Aufgabe: Zu Leben und zu überleben.“

Daniel nickte innerlich. Eine große Verantwortung. Jonas und Kianna würden es schwer haben, aber er hoffte, dass sie auf der Erde eine zweite Heimat finden würden.

***

Niemand von ihnen redete, das brauchten Jonas und Kianna auch nicht. Sie hatten die anderen und den Anblick ihres Planeten hinter sich gelassen und sich wieder im hinteren Schiffsteil hingelegt. Kianna schlang ihre Arme um seinen Körper und er benötigte diese Nähe wie ein Ertrinkender den Rettungsring. Es half gegen die Einsamkeit, die sich in seinem Herzen ausbreiten wollte. Er fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füssen entzogen und so war Kianna sein einziger Halt in diesem schrecklichen Moment des Verlustes. Und er war der ihre!

Ihre Wärme, ihre Nähe war jetzt alles, was er hatte und er würde es bewahren und so drückte er sie eng an sich. Er hörte die Stimmen der anderen im Cockpit. Es waren seine Freunde, doch trotzdem fühlte er sich ihnen hier und jetzt fremd. Sie würden ihm sicherlich eine neue Aufgabe bieten, aber Jonas war nicht sicher, ob er das wollte.

Er und Kianna würden ihren eigenen Weg finden müssen und zur Zeit wusste er nicht, wohin dieser führen würde.

„Jonas?“ Kiannas brüchige Stimme riss ihn aus seinen dunklen Gedanken und er sah in ihre feuchten Augen. Er strich eine Strähne aus ihrer Stirn. „Hätten wir etwas ändern können?“

Diese Frage hatte er sich so oft gestellt und immer wieder hatte er für Kelowna gekämpft. Jetzt wusste er die bittere Wahrheit. „Nein!“ Er drückte Kianna an sich und hielt sie ganz fest in seinen Armen.

Ende